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Welche Rolle spielt das Wetter im E-Commerce?

Neue Studie von S. Steinker, K. Hoberg und U. Thonemann

Es ist unbestritten, dass das Wetter unser tägliches Leben in vielfältiger Weise beeinflusst. Doch wie sieht es eigentlich mit dem Einfluss des Wetters auf unser Einkaufsverhalten aus? Nicht selten wird in Berichten von Handelsverbänden das Wetter als einer der Haupteinflussfaktoren für ein erfolgreiches oder weniger erfolgreiches Saison-Geschäft angeführt. Tatsächlich nutzen bereits einige Händler wie zum Beispiel die britische Handelskette Tesco Wetterdaten, um die operative Planung zu unterstützen und Bestände in den Märkten zu optimieren.

Doch obwohl die Vermutung nahe liegt, dass das Wetter die Absatzzahlen im Handel möglicherweise stark beeinflusst, gibt es nur wenige wissenschaftliche Studien, die den Zusammenhang von Wetter und Umsatzzahlen im Einzelhandel systematisch untersuchen. Insbesondere für den E-Commerce-Bereich wurden solche wissenschaftlichen Untersuchen bisher nicht durchgeführt – und das obwohl die E-Commerce-Branche seit Jahren rasant wächst.

Empirische Untersuchung in Kooperation mit einem großen Online-Händler

In einer kürzlich erschienen Studie versuchen die Autoren S. Steinker, K. Hoberg und U. Thonemann vom Department of Supply Chain Management & Management der Universität zu Köln sowie dem Lehrstuhl für Supply Chain and Operations Strategy der Kühne Logistics University in Hamburg nun diese Forschungslücke zu schließen. In Zusammenarbeit mit einem großen deutschen Online-Händler aus dem Bereich Mode untersuchen die drei Autoren, welche Zusammenhänge zwischen dem Wetter und der täglichen Online-Nachfrage bestehen und ob sich die Vermutung, „das Wetter beeinflusse das Geschäft“, überhaupt empirisch belegen lässt.

Zunächst werden in der Studie theoretische Vorüberlegungen zu möglichen direkten und indirekten Wettereffekten angestellt. In der anschließenden empirischen Untersuchung analysieren die Autoren tägliche Verkaufszahlen des Online-Händlers über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren. Die Untersuchung zeigt einen klaren Zusammenhang zwischen dem täglichen Wetter und der täglichen Nachfrage des Händlers auf. Interessanterweise beeinflusst das Wetter den Umsatz jedoch asymmetrisch: Gutes Wetter hat einen eindeutig negativen Einfluss auf die täglichen Umsätze; der gegenteilige Wettereffekt (das heißt mehr Umsätze bei schlechtem Wetter) ist  jedoch schwächer ausgeprägt. Weiterhin zeigt sich, dass der Wettereffekt an Wochenenden deutlich stärker wirkt als unter der Woche und das Wetter in den warmen Monaten einen größeren Einfluss hat, als während der kalten Jahreszeit.

Kosteneinsparpotenziale durch Berücksichtigung des Wetters

Um die Potenziale, die sich durch Berücksichtigung von Wetterdaten für die operative Planung ergeben, zu quantifizieren, untersuchen die Autoren, inwieweit sich Umsatzprognosen durch Wetterdaten verbessern lassen. In allen betrachteten statistischen Vorhersagemodellen konnten die Prognosefehler bei den Umsatzprognosen gegenüber Modellen, die den Wettereffekt unberücksichtigt ließen, deutlich reduziert werden – teilweise um bis zu 50%. Die Kostenpotenziale, die sich dadurch ergeben, quantifizieren die Autoren mithilfe einer Backtesting-Analyse im Rahmen eines Mitarbeitereinsatzplanungs-Modells für einen Lagerstandort. Es ergaben sich dabei geschätzte Kosteneinsparungspotenziale für das Unternehmen im hohen sechsstelligen Bereich.

Implikationen für die Praxis

Die Studie bietet Managern eine Orientierungshilfe worauf es bei der Einbeziehung von Wetterdaten in operative Planungsprozesse zu achten gilt. Die durchgeführten Analysen zeigen, dass sich durch die Nutzung von Wetterdaten erhebliche Potenziale bei der Verbesserung von Nachfrageprognosen realisieren lassen.  Eine hohe Prognosegüte stellt insbesondere für Onlinehändler einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil dar. Einerseits lassen sich dadurch schnelle Lieferzeiten für den Kunden realisieren, andererseits können so kostspielige Leerzeiten in den Lagerstandorten vermieden werden. Neben den aufgezeigten Potenzialen bei der Mitarbeitereinsatzplanung deuten die Ergebnisse der Studie auf weitere interessante Anwendungsmöglichkeiten von Wetterdaten im E-Commerce hin – beispielsweise bei der Planung von Marketingaktionen, der SEA-Steuerung oder beim Dynamic Pricing.

 

Publikation:

The Value of Weather Information for E-Commerce Operations (2017), S. Steinker, K. Hoberg, U. Thonemann, Production and Operations Management (Early View Articles - 29 June 2017), DOI: 10.1111/poms.12721