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Online sind starke Marken noch wichtiger als im Laden

Prof. Dr. Marc Fischer untersucht in Studie den Einfluss von Marken beim Online-Shopping

Prof. Dr. Marc Fischer

Online sind starke Marken noch wichtiger als im Laden

Sie reduzieren das Risiko und geben Orientierung / Von Marc Fischer, Sascha Lehmann und Nils Lietdke

Online-Shopping ist billig und bequem. Aber was, wenn das heißersehnte Päckchen nie ankommt, obwohl die Rechnung längst bezahlt ist? Dann ist guter Rat teuer. Solchen Enttäuschungen beugen Online-Nutzer vor, indem sie sich an starke Marken halten. Das zeigt die jüngste Erhebung einer Studie von McKinsey und der Universität Köln zur Markenbedeutung im Internet.

Die Bedeutung von Marken für die Kaufentscheidungen von Verbrauchern wächst seit Jahren. Die McKinsey-Marketing-Practice und die Universität Köln verfolgen diese Entwicklung seit 2002 in einer Langzeitstudie. Vor allem in den Jahren 2010 bis 2016 ging es mit der Markenbedeutung in fast allen Branchen steil bergauf; der Zuwachs betrug in diesem Zeitraum mehr als 11 Prozent. Seit 2016 ist der Durchschnittswert auf hohem Niveau stabil. In der jüngsten Welle wurde die Untersuchung nun um sechs reine Online-Kategorien erweitert, vom Versandhandel über Lieferdienste und Media-Streaming-Portale bis hin zu Plattformen für Reisebuchungen oder Versicherungsabschlüssen. Befragt wurden dabei mehr als 1000 Nutzer aller Altersgruppen.

Die überraschende Erkenntnis: Im Internet sind Marken nicht etwa weniger wichtig, sondern mindestens genauso wichtig wie im stationären Offline-Bereich. Beim Online-Einkauf sind Marken aus Sicht der Verbraucher sogar um 14 Prozent wichtiger als beim Einkauf im niedergelassenen Handel. Wie passt das zum Image der Online-Shopper als Schnäppchenjäger, denen es nur um niedrige Preise und schnelle Lieferung geht? Die Erklärung liefert eine tiefergehende Analyse der Markenfunktionen. Wir unterscheiden dabei zwischen Informationseffizienz, Selbstverwirklichung und Risikoreduktion. Für Online-Shopper ist Risikoreduktion die mit großem Abstand wichtigste Markenfunktion. Der entsprechende Wert liegt um mehr als 13 Prozent über dem für Selbstverwirklichung. Eine starke Marke schafft Vertrauen, und sie schützt die Verbraucher vor den Folgen einer falschen Entscheidung.

Welche Konsequenz sollten Marken-Manager daraus ziehen? Auch reine Online-Marken sollten die Bedeutung einer klaren Positionierung und wohldefinierter Werte nicht unterschätzen. Viele Verbraucher empfinden das Internet als unübersichtlichen und potentiell gefährlichen Raum. Starke Marken helfen bei der Überwindung solcher Vorbehalte. Kampagnen, die nur auf Klicks und Kaufabschlüsse zielen, reichen dafür allerdings nicht aus. Vertrauen entsteht nur dann, wenn eine Marke Haltung zeigt und den Verbraucher als ihr Gegenüber ernst nimmt. Wenn der Aufbau einer eigenen Marke die Mittel eines Anbieters übersteigt, sollte man die Zusammenarbeit mit etablierten Partnern wie Amazon und Ebay erwägen. Und auch bei der Abwicklung empfehlen sich starke Partner mit vertrauenswürdigen Marken wie Paypal oder DHL, die wie Amazon und Ebay inzwischen zu den wertvollsten Marken der Welt zählen. Das gute Image der Kooperationspartner strahlt auf die eigene Marke ab und stärkt damit indirekt auch das Vertrauen der Verbraucher.

Noch höher als beim Online-Shopping ist die Markenbedeutung beim Online-Dating. Wer im Internet einen Partner sucht, setzt dafür mitunter nicht nur viel Zeit und Geld ein, sondern gibt oft auch viel von sich selbst preis und macht sich so verwundbar. Um zu verhindern, dass dieser Vertrauensvorschuss ausgenutzt oder missbraucht wird, halten die Nutzer sich an Anbieter mit starker Marke und gutem Ruf. Zusätzlich dient die Marke als Quelle sozialer Distinktion und Gradmesser der Ernsthaftigkeit potentieller Partner. Ein Anbieter, der von seinen Nutzern detaillierte Profile und einen monatlichen Mitgliedsbeitrag fordert, wird als seriös wahrgenommen. Wenn die Nutzung dagegen kostenlos ist und freizügige Fotos das Angebot dominieren, unterstellt man den Nutzern tendenziell eher Oberflächlichkeit.

Die Studie liefert nicht nur für reine Online-Marken wichtige Anhaltspunkte für ihre Strategie. Auch Marken, die in mehreren Vertriebskanälen präsent sind, können die Ergebnisse nutzen, um die Bedürfnisse ihrer Offline-Kunden mit denen der Online-Shopper abzugleichen.

In einigen Bereichen reicht eine Marke aus, um alle Kanäle erfolgreich zu bespielen. Aber in bestimmten Branchen und Märkten kann es sich auszahlen, in eine separate Online-Marke oder sogar mehrere Micro-Brands zu investieren, um den immer differenzierteren Erwartungen der Zielkunden gerecht zu werden. Wir empfehlen unseren Klienten deshalb eine genaue Analyse der dominanten Entscheidungswege und Kauffaktoren in ihrem Wettbewerbsumfeld. Nur auf der Grundlage einer solchen Faktenbasis lassen sich die richtigen Entscheidungen für eine werthaltige, am langfristigen Unternehmenserfolg ausgerichtete Steuerung von Einzelmarken und Markenportfolios treffen.

Marc Fischer ist Inhaber des Lehrstuhls für Marketing und Marktforschung der Universität Köln. Sascha Lehmann ist Partner, Nils Lietdke Senior Expert der McKinsey & Company

Dieser Artikel ist in der F.A.Z. vom 01.07.2019, Wirtschaft (Wirtschaft), auf Seite 16 erschienen.