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Männer mit türkischen Namen bei Online-Mitfahrgelegenheiten benachteiligt

WiSo-Experiment belegt Diskriminierung auf Online-Plattformen

Autofahrer vom Rücksitz gesehen

Ein Experiment der Universität zu Köln auf einer der größten Internetplattformen für Mitfahrgelegenheiten in Deutschland hat deutliche Diskriminierungen aufgrund von Ethnie und Geschlecht festgestellt. Besonders junge, türkische Männer würden auf Plattformen für Mitfahrgelegenheiten von Fahrern benachteiligt. Die Studie mit dem Titel „Who can ride along? Discrimination in a German carpooling market“ wurde in der Zeitschrift „Population, Space and Place“ veröffentlicht.

Fahrgemeinschaften sind kostengünstige Alternativen für Menschen, die unabhängig vom öffentlichen Nahverkehr auch ohne ein eigenes Auto mittlere bis große Strecken zurücklegen wollen. In einer gemeinsamen Studie des Instituts für Soziologie und Sozialpsychologie, Universität zu Köln sind Dr. Sarah Carol, Daniel Eich, Michèle Keller, Friederike Steiner und Katharina Storz der Frage nachgegangen, ob Nutzerinnen und Nutzer von Onlineplattformen für Mitfahrgelegenheiten aufgrund ihrer Ethnie unterschiedlich behandelt werden und welche Rolle dabei gegebenenfalls auch das Geschlecht spielt.

Für die Untersuchung legten das Team vier fiktive Profile an, anhand derer männliche Fahrer angeschrieben wurden. Die erfundenen Nutzernamen eines Mannes und einer Frau klangen deutsch, die anderen beiden türkisch. Das Alter der fiktiven User lag jeweils bei Mitte zwanzig. Insgesamt wurden 925 Kontaktaufnahmen überprüft und dabei auf die Wahrscheinlichkeit der Zusage an die potentiellen Mitfahrer oder –fahrerinnen hin untersucht, sowie auf die Antwortzeit und die Reihenfolge der Antworten.

Das Experiment ergab eine deutliche Diskriminierung aufgrund von Ethnie und Geschlecht. Frauen mit deutsch klingenden Namen waren gegenüber ihren männlichen und besonders gegenüber den türkischen männlichen Nutzern im Vorteil. Sowohl in punkto Zustimmung zur Mitnahme als auch in der Reihenfolge der Beantwortung zeigten sich Anzeichen für Diskriminierung. Keine entsprechenden Unterschiede gab es in Bezug auf die Antwortzeit, was darauf hindeutet, dass Fahrer ähnlich schnell Zusagen wie Absagen versenden. Rund 71 Prozent der Frauen mit deutschem Namen erhielten eine Zusage, im Gegensatz zu nur 44 Prozent Zusagen für Männer mit türkischem Namen. Männer mit deutschem Namen und Frauen mit türkischem Namen konnten gleich viele Zusagen verzeichnen (60 Prozent).

Beim Blick auf die deutschlandweite Verteilung der Diskriminierung zeigt die Studie, dass Nutzer mit türkisch klingenden Namen im Osten Deutschlands im Fall der Online-Mitfahrgelegenheiten nicht stärker diskriminiert werden als im Westen. Dr. Sarah Carol erklärt das fehlende Ost-West-Gefälle folgendermaßen: „Auf den ersten Blick überrascht dieses Ergebnis, da der Osten Deutschlands in früheren Untersuchungen eine höhere Fremdenfeindlichkeit besonders gegenüber Muslimen aufwies, zu denen ein großer Teil der türkischen Minderheit gehört. Ein Grund für das vor diesem Hintergrund unerwartete Ergebnis könnte sein, dass die Fahrer in ihren Einstellungen von der Durchschnittsbevölkerung abweichen und unter Umständen offener gegenüber Menschen anderer Gruppen sind. Außerdem waren Mitfahrgelegenheiten in manchen ehemaligen sozialistischen Ländern etablierter.“

Um die Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft und des Geschlechts zu vermeiden, regen  die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an, die Anfragen von potentiellen Mitfahrerinnen und -fahrern künftig anonymer zu gestalten. „Ansonsten wird die festgestellte, bestehende Diskriminierung weiter fortgesetzt. Um das zu vermeiden ist es wichtig, mit Möglichkeiten der Anonymisierung gegenzusteuern“, sagt Sarah Carol.

• Zur Studie:
Carol, Sarah, Daniel Eich, Michèle Keller, Friederike Steiner und Katharina Storz: Who can ride along? Discrimination in a German carpooling market. Population, Space and Place