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„Bitcoin kann als Gegengewicht zur Marktmacht der Banken fungieren“

Dainis Zegners im Interview zum Thema Bitcoin

Die digitale Währung Bitcoin ist im Moment das Thema: Seit der Vervielfachung des Wertes in nur einem Jahr und mit dem Steigen des Kurses auf über 17.000 Dollar ist die Erfolgsgeschichte der Kryptowährung in allen Medien präsent.
Dainis Zegners ist Juniorprofessor an der WiSo-Fakultät der Universität zu Köln und Teil der  Forschungsinitiative "Digital Transformation and Value Creation" (http://www.digital.uni-koeln.de/) an der Universität zu Köln, die den digitalen Wandel untersucht. Er beschäftigt sich schon länger mit der digitalen Währung Bitcoin und hat uns einige Fragen dazu beantwortet.


Herr Zegners, hat Sie der aktuelle Hype um die Bitcoins überrascht?

Ja und nein. An das große Potenzial der Technologie hinter Bitcoin habe ich von Anfang an geglaubt. Der rasante Kursanstieg und der damit verbundene Medienhype der letzten Monate hat mich dann aber doch sehr überrascht.

Was genau sind Bitcoins?

Bitcoin und andere Kryptowährungen basieren auf einem rein digitalen Transaktionssystem. Wer  eine Bitcoin besitzt, kann dies durch einen sogenannten Private Key nachweisen, einen digitalen Schlüssel, der einem Passwort ähnelt. Transaktionen werden über das Bitcoin-Netzwerk abgewickelt. Dieses Netzwerk wird von keiner zentralen Institution wie z.B. einem Staat oder einer Notenbank betrieben, sondern besteht aus einem freiwilligen Zusammenschluss privater Betreiber, den sogenannten Minern. Diese Miner werden für das Bereitstellen von Rechenkapazität für das Bitcoin-Netzwerk mit neu herausgegebenen Bitcoins vergütet. Prinzipiell kann jeder Besitzer eines PCs mit Internet-Verbindung dem Bitcoin-Netzwerk beitreten.      
 
Können Sie uns erklären, was Blockchain bedeutet?

Die Blockchain ist eine Art digitale Datenbank, in der jede Transaktion einer Bitcoin vermerkt wird. Jeder Teilnehmer des Bitcoin-Netzwerkes besitzt eine exakte Kopie der Blockchain. Dadurch müsste jemand, der Eintragungen auf der Blockchain manipulieren will, mehr als 50% des Netzwerks unter Kontrolle bringen. Das ist zwar theoretisch möglich, in der Praxis aber äußerst schwierig. Das macht das Bitcoin-Netzwerk grundsätzlich sehr sicher. Das Interessante ist, dass auf der Blockchain auch jede andere Art von Information gespeichert werden kann. Deshalb hat die Blockchain-Technologie viele mögliche Anwendungsfelder jenseits von Bitcoin. Zum Beispiel wäre denkbar, auch Transaktionen physikalischer Güter oder sogar Verträge auf einer dezentralen Blockchain zu dokumentieren.           


Was ist der Unterschied zwischen Bitcoin und Bitcoin Cash?

Für herkömmliche Bitcoins kann es zuweilen 10 bis 15 Minuten dauern, bis eine Transaktion vom Bitcoin-Netzwerk bearbeitet wird. Bitcoin Cash ist eine Abwandelung von Bitcoin, die für eine schnellere Abwicklung von Transaktionen optimiert wurde. Die Idee dahinter ist, Bitcoin Cash als ernstzunehmendes elektronisches Zahlungssystem und Alternative zu Kreditkarten oder PayPal zu etablieren.

Kommen auf diese Weise nicht enorme Datenmengen zusammen?

Die Bitcoin-Blockchain hat momentan eine Größe von 150 GB. Bei derzeit etwa 12.000 Knoten im Bitcoin-Netzwerk sind das in etwa 1.800 Terabyte. In den heutigen Zeiten von Big Data ist das nicht besonders viel. Zum Vergleich: Auf YouTube werden jeden Tag etwa 25 Terabyte an neuen Videos hochgeladen. Ein viel größeres Problem stellt hingegen der Stromverbrauch des Bitcoin-Netzwerkes dar. Laut einigen Schätzung verbraucht das Netzwerk bereits mehr Strom als zum Beispiel ein kleines Land der Größe Dänemarks oder Irlands. Allerdings sollte auch dies in Perspektive gesetzt werden: Der Stromverbrauch von Bitcoin beträgt etwa ein Achtel dessen, was die Daten-Center von Google, Facebook, Amazon etc. in den USA verbrauchen und ist nur einen Bruchteil so groß wie der Energieaufwand, der für die Produktion von Münzgeld und Gold aufgewendet wird.

Sie sehen in Bitcoin also kein drohendes Umweltproblem? Steigt nicht der Stromverbrauch für Bitcoin mit zunehmender Nutzung immer weiter an?

Doch, wenn Bitcoin weiter an Popularität zunimmt wird der Energieverbrauch weiter steigen. Allerdings gibt es Möglichkeiten, den Algorithmus hinter Bitcoin effizienter zu programmieren. Ich bin optimistisch, dass ein energieeffizienterer Algorithmus in Zukunft entwickelt und sich durchsetzen wird.  Außerdem befinden sich die meisten Miner in Ländern wie China, Russland oder Venezuela, wo Elektrizität vom Staat sehr stark subventioniert wird. Von daher liegt das Problem auch teilweise an den zu niedriger Strompreise in diesen Ländern, die einen sehr verschwenderischen Verbrauch von Strom ermöglichen.


Bei der aktuellen Wertsteigerung macht die digitale Währung eher als Wertanlage denn als echtes Zahlungsmittel Sinn. Worin liegt der Vorteil von Bitcoin?

Genau, derzeit sieht es so aus, dass Bitcoin vor allem als Wertanlage und Spekulationsobjekt genutzt wird und nicht als alltägliches Zahlungsmittel. Daher ist Bitcoin derzeit eher mit Wertanlagen wie z.B. Gold oder selten Kunstwerken als mit anderen Währungen wie Dollar oder Euro zu vergleichen.
Der Vorteil von Bitcoin besteht darin, dass es ein Transaktionssystem außerhalb des traditionellen Bankensystems ist, mit  geringeren Gebühren für die Teilnehmer. Das ist vor allem eine große Chance für die Einwohner von Ländern, deren Währungssystem kollabiert ist oder in denen kein barrierefreier Zugang zum Bankensystem herrscht.  Ebenso kann Bitcoin als Gegengewicht zur Marktmacht der Banken fungieren.

Das klingt radikal: Könnte Bitcoin Ihrer Meinung nach für Banken und andere etablierte Zahlungsdienstleister eine ernsthafte Konkurrenz werden?

In den Ländern der ersten Welt, wo der Zugang zum Bankensystem und zu bargeldlosen Zahlungsmitteln dem Großteil der Bevölkerung zu vertretbaren Preisen möglich ist, kann ich mir nicht vorstellen, dass Banken und Kreditkartenunternehmen durch Bitcoin oder Kyrptowährungen aus dem Markt gedrängt werden. Dennoch können Kryptowährungen gesunden Wettbewerb in den Markt bringen und traditionelle Anbieter dazu bringen, ihre Preise zu senken und ihren Service zu verbessern. Zum Beispiel ist es schwer zu glauben, dass eine Banküberweisung in Zeiten des Internets noch immer länger als einen Tag dauern kann.

Welche Nachteile hat die Kryptowährung und sehen Sie Risiken, die durch Bitcoin drohen?

Ein barrierefreier Zugang bringt natürlich auch Probleme mit sich. So wird Bitcoin gerne als Zahlungsmittel bei illegalen Transaktionen und als Zahlungsmittel von Lösegelderpressern verwendet. Der Nachteil von Bitcoin ist außerdem, dass keine staatliche Institution ihren Wert absichert. Der Wert einer Bitcoin leitet sich nur aus den Erwartungen der Marktteilnehmer ab, dass es in Zukunft auch eine Nachfrage nach Bitcoins als Wertanlage oder Zahlungsmittel geben wird. Zunächst einmal ist das nichts Ungewöhnliches. Der Wert von Gold als Wertanlage zum Beispiel leitet sich ebenso nur aus einer Erwartung der Marktteilnehmer ab und wir von keiner zentralen Institution garantiert.

Im Gegensatz zu Gold ist Bitcoin aber noch nicht seit Jahrtausenden als Wertanlage akzeptiert, deshalb kann sich die Erwartung der Marktteilnehmer sehr schnell ändern, was die enormen Kursschwankungen von Bitcoin erklärt. Ebenso ist noch nicht klar, ob und wie Bitcoin in Zukunft von staatlicher Seite reguliert werden wird. So könnte zum Beispiel eine Regulierung eines großen Staates wie den USA, China oder auch der EU, die von den Marktteilnehmern als zu streng empfunden wird, dramatische Folgen für die Erwartungen der Marktteilnehmer haben und somit für den Kurs von Bitcoin. Das so ein Kurskollaps Folgen für die Realwirtschaft haben könnte, glaube ich allerdings nicht. Dafür ist die Größe von Bitcoin und des Kryptowährungsmarktes derzeit noch viel zu gering.   

Wie ist Ihre Prognose: wird der Wert von Bitcoins weiter so hoch bleiben oder sogar weiter ansteigen? Oder handelt es sich um eine Blase, die platzen wird?

Das ist natürlich ein sehr spannendes Thema. Wenn ich darüber eine verlässliche Aussage machen könnte, wäre ich ein reicher Mann! Ich glaube, dass wir in näherer Zukunft noch weiterhin mit großen Kursgewinnen und Kursverlusten rechnen müssen. Langfristig glaube ich aber, dass sich die Technologie hinter Kyrptowährungen und der Blockchain in irgendeiner Form durchsetzen wird.

Besitzen Sie selbst Bitcoins?

Ich hatte letztes Jahr eine Bitcoin für 400 € gekauft und nach einigen Monaten beim Stand von 500 € wieder verkauft habe. Ich habe mich damals sehr über den Gewinn von 100 € gefreut...

Vielen Dank für das Interview, Professor Zegners!

Die Fragen stellte Sarah Brender.