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„Wir müssen entscheiden, wie wir die Fakultät ausrichten wollen“

Prof. Ulrich W. Thonemann, Ph.D.

Ulrich Thonemann über das neue Amt als Dekan und seine Pläne für die Zukunft der Fakultät

Seit April 2019 ist Professor Ulrich W. Thonemann neuer Dekan der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln. Im Interview spricht er darüber, was es für ihn bedeutet, zum Dekan gewählt worden zu sein. Außerdem skizziert er seine Pläne für die generelle Ausrichtung der Fakultät sowie in punkto Forschung und Lehre - und verrät, was ihn glücklich machen würde, wenn er in vier Jahren eine Bilanz seiner Zeit als Dekan zieht.

Professor Thonemann, herzlichen Glückwunsch zur Wahl zum Dekan der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät! Sie leiten nun eine der größten Fakultäten in diesen Bereichen in Deutschland. Was bedeutet dieses neue Amt für Sie?

Zunächst einmal freut es mich, dass die Fakultätsmitglieder mir das Vertrauen geschenkt haben, diese großartige Fakultät zu leiten. Für mich bedeutet es, dass ich eine große Verantwortung trage. Mein Amtsvorgänger Werner Mellis hat viel aufgebaut und die Fakultät auf einen guten Kurs gebracht. Ich bin daher in der erfreulichen Situation, eine gut strukturierte und gut funktionierende Fakultät zu übernehmen. Nun ist es an uns allen, zunächst einmal zu überlegen, wie es weitergehen soll. Wir müssen entscheiden, wie wir die Fakultät ausrichten wollen, wir müssen entscheiden, wie wir uns in Forschung und Lehre aufstellen wollen, und wir müssen entscheiden, wie wir all dies alles angehen wollen. Diesen Prozess zu moderieren und gemeinsam mit allen Fakultätsmitgliedern voranzutreiben, ist die erste große Aufgabe, auf die ich mich freue.

Nun ist es an uns allen, zunächst einmal zu überlegen, wie es weitergehen soll.

Professor Ulrich W. Thonemann

Das hört sich nach einem sehr offenen Prozess an. Sie haben aber sicherlich schon ein paar Vorstellungen, wo es hingehen soll.

Beides stimmt. Ich werde versuchen, den Prozess möglichst offen zu gestalten und allen die Möglichkeit zu geben, sich konstruktiv einzubringen. Nichtsdestotrotz habe ich einige Vorschläge, wo wir uns hinbewegen sollten. In den letzten Monaten habe ich viele Gespräche mit Vertretern aller Interessengruppen geführt, um zunächst zu verstehen, wie es ihnen an der Fakultät gefällt, wie sie die Fakultät sehen und was sie denken, wie wir uns weiterentwickeln sollten.

Erfreulich fand ich, dass es vielen gut an unserer Fakultät gefällt, sie gerne bei uns forschen, arbeiten und studieren und sich auch bei der Weiterentwicklung einbringen möchten. Auch kamen bei einer Reihe von Gesprächen ähnliche Verbesserungsvorschläge hoch, von denen ich gerne eine paar sofort angehen möchte. Ein häufiger Verbesserungsvorschlag war die Kommunikation innerhalb der Fakultät, um besser informiert zu sein.
 

Können Sie da etwas konkreter werden?

Gerne. Wir haben in den letzten Jahren unsere Prozesse umgestaltet, was viele Vorteile hat. So sitzen Professorinnen und Professoren und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jetzt nicht mehr wie früher regelmäßig in ganztägigen Gremiensitzungen, um Verwaltungsprozesse zu diskutieren, sondern jeder kümmert sich um das, was er am besten kann. Professorinnen und Professoren um Lehre und Forschung und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um die Administration und die Studierendenunterstützung. Unter diesen Prozessverbesserungen hat allerdings die Kommunikation gelitten. Was wir jetzt erreichen müssen, ist, die Kommunikation wieder zu intensivieren. Um das zu erreichen, werden wir am Ende dieses Semesters zum Ausklang auf Kölsch und Snacks zusammenkommen, uns im Wintersemester zu einem Fakultätsinfonachmittag treffen und wir werden ab Mai einen monatlichen Newsletter haben.

Mir ist es wichtig, dass wir dies gemeinsam tun, denn wir werden die Mission nur gemeinsam umsetzen können.

Professor Ulrich W. Thonemann

Und welche inhaltlichen Vorstellungen haben Sie?

Ein wichtiges, wenn auch eher softes Thema ist die generelle Ausrichtung der Fakultät, also die Frage, wohin wir wollen und wofür wir stehen wollen. Als Orientierung zur Beantwortung dieser Frage dient üblicherweise die Mission einer Fakultät, die auf den Stärken der Fakultät aufbauen sollte. Und Stärken haben wir viele. Wir haben eine einzigartige Fächervielfalt, haben exzellente und bekannte Forscherinnen und Forscher, wir haben motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und hervorragende Studierende, wir haben gute Praxiskontakte, eine großartige Stadt und vieles mehr. Nun gilt es, eine Mission zu entwickeln, die auf diesen Stärken aufbaut und die wiedergibt, was wir erreichen wollen. Und idealerweise ist die Mission dann kurz und passend, sodass wir auf die Frage, warum sollte man an der WiSo-Fakultät studieren oder forschen, eine prägnante Antwort haben.

Mir ist es wichtig, dass wir dies gemeinsam tun, denn wir werden die Mission nur gemeinsam umsetzen können. Um sicherzustellen, dass viele Personen der Fakultät eingebunden werden, wird uns Fabian Sting unterstützen. Er beschäftigt sich in seiner Forschung mit Innovationen und wird einen Open Innovation Prozess aufsetzen, in den sich jeder Einzelne über eine Online-Plattform einbringen kann.

Lasst uns auf aktuelle Themen setzen und sicherstellen, dass unsere Ergebnisse auch umgesetzt werden, also relevant sind!

Professor Ulrich W. Thonemann

Welche Pläne haben Sie in Bezug auf die Forschung an der WiSo-Fakultät?

Ich möchte Forscherinnen und Forscher ermutigen, sich zusammenzutun und gemeinsam zu forschen. Wenn man überlegt, wie es gelingt, als Forscherinnen und Forscher wahrgenommen zu werden, ist die Strahlkraft wesentlich besser, wenn man in Gruppen auftritt und damit weltweit sichtbar werden kann.
Wir können nicht beliebig viele Forschungsgruppen finanzieren und müssen uns inhaltlich konzentrieren. Wir sind die größte und – meiner Meinung nach - großartigste Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät Deutschlands und haben damit eine Verantwortung. Unsere Gesellschaft steht vor vielen Herausforderungen, sei es in der Digitalisierung, der Demographie, der Unternehmensgovernance oder der Marktgestaltung. Wenn wir uns aufmachen und uns in der Forschung auf einige dieser aktuellen Herausforderungen stürzen und relevante Ergebnisse liefern, dann können wir einen wesentlichen Beitrag zum Meistern der Zukunft liefern. Ich denke, dass sollten wir tun! Mein Plädoyer für die Forschung lautet daher: Lasst uns auf aktuelle Themen setzen und sicherstellen, dass unsere Ergebnisse auch umgesetzt werden, also relevant sind!

Wir müssen überlegen, wie wir noch problembasierter lehren können, damit unsere Studierenden mit Freude in unsere Veranstaltungen gehen und viel mit nach Hause nehmen.

Professor Ulrich W. Thonemann

Und wie sehen Ihre Pläne in Bezug auf die Lehre an der WiSo-Fakultät aus?

Unsere Forschungsstärke ist auch ein Erfolgsfaktor für unsere Lehre. Wir kennen die aktuellen Themen und Trends und bringen dieses Wissen in die Lehre ein. Dieses Faktenwissen wird jedoch in einigen Jahren schon veraltet sein – teilweise vielleicht sogar schon beim Berufseinstieg der Studierenden. Sie müssen daher nicht nur Fakten lernen, sondern auch Problemlösungskompetenzen aufbauen. Also lernen, wie sie zukünftige Probleme, die wir heute noch gar nicht kennen, lösen können. Und das verlangt ein Vorgehen, das uns an der WiSo-Fakultät nur allzu gut bekannt ist. Es heißt Forschen. Und die entsprechende Lehre nennt man forschungsorientierte Lehre. In der Lehrstrategie müssen wir uns überlegen, wie wir diese Art der Lehre vermehrt einsetzten können. Und wir müssen überlegen, wie wir noch problembasierter lehren können, damit unsere Studierenden mit Freude in unsere Veranstaltungen gehen und viel mit nach Hause nehmen.

Was ich versuche, ist, die Studentinnen und Studenten wirklich dazu zu bringen, aktiv mitzudenken.

Professor Ulrich W. Thonemann

Sie führen aktuell die Liste der Preisträger des Albertus Magnus Preises an, den Sie bereits sieben Mal erhalten haben. Dieser Preis wird von den Studierenden selbst vergeben. Was bedeutet die Auszeichnung für Sie und was macht für Sie gute Lehre aus?

Ich habe mich jedes Mal riesig gefreut, wenn ich den Preis bekommen habe.  Ich hätte diesen Preis aber sicherlich nicht ohne meine tollen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekommen können. Gemeinsam versuchen wir, uns in die Studierenden hineinzuversetzen und zu simulieren, was uns als Studierende weitertragen und was uns langweilen würde. 90 Minuten einfach vorzutragen, ist eine langweilige Berieselung. Das geht links rein, rechts raus und so macht Lehre keinen Spaß – weder für den Dozierenden noch für den Studierenden.

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Professor Ulrich W. Thonemann während eines Vortrags.

Was ich deshalb versuche, ist, die Studentinnen und Studenten wirklich dazu zu bringen, aktiv mitzudenken. Und weil die Aufmerksamkeitsspanne kurz ist, versuche ich, die Vorlesung so zu gestalten, dass alle paar Minuten etwas passiert. So diskutiere ich mit Studierenden im Hörsaal und bespreche Praxisbeispiele von Projekten, die wir mit Unternehmen durchgeführt haben. Wenn ich beispielsweise zeige, wie sich das Wetter auf den Umsatz von Zalando auswirkt und was man mit der Info machen kann, dann ist das spannender als das ARIMA-Modell trocken durchzukauen.

Ein anderes Beispiel sind Übungen, bei denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Bonus-Punkte vergeben, damit Studierende ein echtes Eigeninteresse haben, vorbereitet in die Übung zu gehen. Das ist für alle Beteiligten die beste Lösung. Wenn wir etwas wollen, müssen wir dafür sorgen, dass der Student oder die Studentin auch ein eigenes Interesse daran hat, mitzuarbeiten. Das heißt in vielen Fällen: die Währung der Studierenden ist die Note.

Was mir allerdings noch wichtiger ist, als Preise zu bekommen, ist, dass Studierende das, was sie bei mir lernen, später auch brauchen und anwenden können. Was wir als Dozierende vermitteln, soll ihnen im Leben und auf ihrem Berufsweg weiterhelfen.

Man hat jetzt sehr stark heraushören können, wie wichtig Ihnen Ihre Lehrtätigkeit ist. Fällt es Ihnen dann jetzt nicht schwer, in punkto Lehre durch die neue Verantwortung als Dekan kürzerzutreten?

Es sind ja sogar zwei Bereiche, in denen ich kürzertreten werde. In punkto Lehre, aber auch in punkto Forschung. Daran hänge ich genauso, wie ich an der Lehre hänge und ich will das gar nicht in eine Rangfolge bringen. In beiden Bereichen ist es mir wichtig und ein Bedürfnis, an realen Problemen zu arbeiten und so dann implementierbare Lösungen zu entwickeln, die Unternehmen weiterbringen. Ich werde jedoch zurückschrauben müssen. Ich kann nicht mehr wie in der Vergangenheit drei Veranstaltungen pro Semester anbieten, sondern nur noch eine Bachelorveranstaltung im Wintersemester und eine Masterveranstaltung im Sommersemester. In der Forschung werden mich meine Co-Autorinnen und –Autoren  in den nächsten vier Jahren hoffentlich unterstützen und ich hoffe, dass ich das, was sie mir an Unterstützung zukommen lassen, dann in vier Jahren wieder zurückgeben kann.

Können Sie sich also nicht vorstellen, für eine zweite Amtszeit zur Verfügung zu stehen?

Ob ich meine Amtszeit eventuell verlängern sollte - darüber nachzudenken, dafür ist es ein bisschen früh! Generell ist es sicherlich sinnvoll, dass ein Dekan mehr als eine Amtszeit bleibt. Aber dazu gehören immer zwei Parteien. Einmal muss das Amt einem selbst auch genügend zurückgeben und zweitens muss man dann in den Jahren erst mal das Entsprechende geleistet haben, um auch wiedergewählt zu werden.

Ich wünsche mir, dass die Studierenden, die uns als Alumnae und Alumni verlassen, hier eine schöne Erfahrung hatten und hinterher das erreichen, was sie erreichen möchten.

Professor Ulrich W. Thonemann

Was würde Sie glücklich machen, wenn Sie in vier Jahren ein Fazit Ihrer Zeit als Dekan ziehen?

Glücklich machen würde mich, wenn es gelingen würde, unsere Lehre noch weiter zu verbessern. Ich wünsche mir, dass die Studierenden, die uns als Alumnae und Alumni verlassen, hier eine schöne Erfahrung hatten und hinterher das erreichen, was sie erreichen möchten. In der BWL heißt das, einen sehr guten Job zu finden und die Karriere zu entwickeln. In anderen Bereichen können das auch andere Ziele sein.

Was mich außerdem sehr freuen würde, wenn ich in vier Jahren zurückblicke: Wenn es gelingen sollte, dass wir in der Forschung Themen angehen, die Relevanz haben, sei es für Unternehmen, für Organisationen oder auch für die Gesellschaft als Ganzes - und wenn wir in diesen Bereichen neue spannende Erkenntnisse generieren!

Vielen Dank für das Interview!
 

Die Fragen stellte Sarah Brender.

Persönliches

Ulrich W. Thonemann ist verheiratet und hat einen sechzehnjährigen Sohn. Er treibt regelmäßig Sport. Und er schaut sich gern die Heimspiele des 1. FC Köln im Stadion an, wo er die Atmosphäre liebt. Außerdem liest er gerne, zum Beispiel Krimis von Deon Meyer. Eines seiner Lieblingsbücher ist von Simone de Beauvoir: „Alle Menschen sind sterblich“.

Berufliches

Informationen zum beruflichen Werdegang sowie zu seinen Forschungsschwerpunkten finden Sie auf der „Find an Expert“-Seite von Ulrich W. Thonemann