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Vertrauen ins Bankensystem?

Ein Gespräch mit Prof. Thomas Hartmann-Wendels

Geld

Bankenstresstest, die bevorstehenden US-Wahlen zum Repräsentantenhaus, Niedrigzinsen oder die Digitalisierung: Banken haben derzeit viele Baustellen. Doch auf dem Vertrauen auf Banken basiert eine gesunde Wirtschaftsentwicklung. Ein Gespräch mit Prof. Thomas Hartmann-Wendels von der WiSo-Fakultät der Universität zu Köln über große Krisen und die deutschen Banken.

Können die Wahlen zum Repräsentantenhaus am 6. November in Amerika eine Auswirkung auf die Banken haben?

Die anstehenden Wahlen zum Repräsentantenhaus entscheiden darüber, ob Trump seine Politik der Deregulierung der Banken ungestört fortsetzen kann oder ob die Demokraten diese Entwicklung hemmen oder gar verhindern können. Eine Deregulierung beflügelt zunächst einmal die Geschäftsmöglichkeiten der Banken, allein die Ankündigung von Maßnahmen zur Deregulierung hat die Aktienkurse amerikanischer Banken steigen lassen. Lockere Vorschriften verschaffen den international tätigen amerikanischen Banken einen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren europäischen Konkurrenten, gleichzeitig wächst aber auch die Gefahr, dass einzelne Banken die neu gewonnenen Freiheiten dazu nutzen, eine langfristig verantwortungslose Geschäftspolitik zu betreiben.

Geldgeschäfte basieren auf Vertrauen in die wirtschaftliche und politische Stabilität eines Landes. Das scheint in der deutschen Gesellschaft aber zu schwinden. Worin besteht die Gefahr dieser Entwicklung?

Vertrauen in stabile und verlässliche Rahmenbedingungen ist unerlässlich für eine gesunde Wirtschaftsentwicklung. Dies gilt für alle Bereiche einer Volkswirtschaft, in besonderem Maße aber für Banken. Egal ob Banken Kredite vergeben oder Einlagen entgegennehmen, stets ist das Vertrauen auf die Rückzahlung der vergebenen Kredite bzw. der bei Banken angelegten Gelder die entscheidende Geschäftsgrundlage. Schwindet dieses Vertrauen, können Investitionen nicht mehr finanziert werden, dies gefährdet Wachstum und Vollbeschäftigung.

Sehen Sie derzeit Anzeichen dafür, dass sich Unternehmen mit Investitionen in Deutschland (Ost?) zurückhalten, weil das Vertrauen in die Banken geschädigt ist?

Die Investitionsbereitschaft von Unternehmen hängt im Wesentlichen davon ab, wie erfolgversprechend die wirtschaftliche Entwicklung und wie stabil die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse eingeschätzt werden. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung ziehen einige dunkle Wolken auf, die Stichworte hier sind Brexit, Handelskrieg und wachsende Instabilität in Italien. Was die politische Entwicklung anbelangt, so haben die Vorkommnisse in den letzten Wochen sich sicherlich negativ auf die Attraktivität einiger Länder in Ostdeutschland als Unternehmensstandort ausgewirkt. Einige Banken haben zwar seit der Finanzkrise an Reputation eingebüßt, ich sehe aber keine generelle Vertrauenskrise, die zu einer Zurückhaltung bei Investitionen führt.

Wissenschaftler wie die Nobelpreisträger Robert Shiller, William Sharpe und Lars Peter Hansen warnen vor einem größeren Crash als 2008. Sehen Sie das auch so?

Es gab fast zu jeder Zeit Stimmen, die vor einer großen Krise gewarnt haben. 2008 haben sich diese Prophezeiungen dann auch einmal bewahrheitet, seitdem wird solchen Prognosen eine viel größere Aufmerksamkeit zuteil als früher. Auch derzeit gibt es eine Reihe von Indikatoren, aus denen sich durchaus plausibel ein Crash-Szenario ableiten lässt. Die Zutaten hierzu sind Brexit, wachsende Staatsverschuldung, Niedrigzinsniveau mit der Folge einer Überbewertung von Immobilien und Aktien und zunehmende politische Unsicherheiten. Ob sich daraus wirklich eine globale Krise entwickelt, ob es nur eine kleine Delle im Wirtschaftswachstum gibt oder ob der Sturm vorbeizieht ohne großen Schaden anzurichten, lässt sich derzeit nicht seriös abschätzen.

Sind Banken heute immer noch im gleichen Maß wie 2008 systemrelevant?

Während der Finanzmarktkrise haben viele Akteure beschworen, dass eine einzelne Bank nie mehr so groß werden darf, dass ihre Insolvenz die Stabilität des gesamten Finanzsystems gefährdet. Seit der Finanzmarktkrise erleben wir aber eine Zunahme der Bankenfusionen, vor allem zwar bei kleinen Instituten, aber durchaus auch bei großen Banken. Diese Entwicklung vergrößert das „too-big-to-fail“ Problem. Hintergründe der Fusionen sind u.a. das Niedrigzinsniveau und eine deutliche verschärfte Regulierung, die zunehmend zu einem Kostenfaktor für die Banken wird. Die Bankenaufsicht versucht zwar, die Gefahr, die von systemrelevanten Banken ausgeht, zu begrenzen, indem diese Banken stärker beaufsichtigt werden, indem sie höhere Eigenkapitalquoten einhalten müssen und indem sie Pläne für den Fall einer Abwicklung bereithalten müssen. Es ist allerdings mehr als fraglich, ob diese Instrumente im Ernstfall wirklich greifen. Das Problem, dass Banken systemrelevant sind, ist also bis heute nicht gelöst.

Machen deutsche Banken momentan alles richtig oder was sollten sie ändern?

Die Banken in Deutschland befinden sich in einer schwierigen Lage. Das Niedrigzinsniveau hat die Zinsmargen drastisch schrumpfen lassen, die verschärfte Regulierung hat den Kostendruck erhöht, gleichzeitig dringen neue, innovative Wettbewerber wie z.B. die Fintechs in die traditionellen Geschäftsfelder der Banken ein. Um von der Digitalisierung nicht abgehängt zu werden, bedarf es enormer Anstrengungen, insbesondere auch hoher Investitionen. Die großen Banken haben derzeit viele andere Baustellen und können sich dem Thema Digitalisierung nicht mit ganzer Kraft widmen. Die in ihrem jeweiligen Finanzverbund zusammengeschlossenen Sparkassen und Volksbanken/Raiffeisenbanken müssen ihre Kräfte besser bündeln, um mit der Entwicklung Schritt halten zu können. Oftmals ist der Chor in den Finanzverbünden zu vielstimmig und behindert damit schnelle Entscheidungen.

Stellen radikale politische Kräfte eine Gefahr für die Banken/Unternehmen dar?

Unternehmen benötigen stabile und verlässliche Rahmenbedingungen, um erfolgreich arbeiten zu können. Jegliche Form politischen Radikalismus vergrößert die Unberechenbarkeit und führt zur Zurückhaltung bei Investitionen. Hinzu kommt, dass politisch radikale Kräfte dazu neigen, die Gesetze für ein erfolgreiches Wirtschaften zu ignorieren und ihren radikalen Ansichten unterzuordnen. Die Erfahrung lehrt, dass dies auf Dauer nie gelingt. Für Banken kommt noch hinzu, dass deren Geschäftstätigkeit in besonderem Maße vom Vertrauen ihrer Kunden abhängt. Wir erleben aktuell in Italien, dass politischer Radikalismus das Vertrauen der Anleger in die Sicherheit ihrer Geldanlagen erschüttert. Geldanlagen werden zunehmend über die Grenze in die sichere Schweiz verlagert, weil die Angst wächst, dass Kapitalverkehrskontrollen eingeführt werden, um einen Bank-Run zu verhindern. Sollte diese Tendenz sich verstärken, werden die italienischen Banken in ernste Liquiditätsschwierigkeiten geraten.

Die deutschen Banken sollten im internationalen Wettbewerb mithalten können. Spricht das für eine Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank?

Die Deutsche Bank und die Commerzbank sind in den letzten Jahren im internationalen Wettbewerb deutlich zurückgefallen. Die Deutsche Bank spielt längst nicht mehr in der ersten Liga der international tätigen Banken mit, die Commerzbank hat noch nie so richtig dazu gehört. Beide Banken haben mit immensen internen Problemen zu kämpfen. Diese werden durch eine Fusion nicht gerade geringer. Im Gegenteil, die Zusammenführung zweier großer Banken ist eine Mammutaufgabe, die immense Summen verschlingt und die neu entstandene Bank von anderen wichtigen Themen wie z.B. den Herausforderungen durch die Digitalisierung ablenkt. Zusammengefasst kann man sagen, dass durch die Fusion zweier schwächelnder Institute keine starke Bank entsteht, da durch die Fusion keines der bestehenden Probleme gelöst wird, sondern nur zusätzliche geschaffen werden.

Zur Person
Prof. Dr. Thomas Hartmann-Wendels ist Direktor am Seminar für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Bankbetriebslehre und am Forschungsinstitut für Leasing sowie Geschaftsführender Direktor der Abteilung Bankwirtschaft am Institut für Bankwirtschaft und Bankrecht der Universität zu Köln.

Das Interview steht auch zum Abdruck und zur digitalen Verwendung zur Verfügung, siehe die folgende Pressemitteilung der Universität zu Köln für weitere Informationen und Kontaktdaten: Vertrauen in Bankensystem: „Politischer Radikalismus führt zur Zurückhaltung bei Investitionen