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Mit den richtigen Anreizen zu besseren Nachfrageprognosen

Neue Forschungsergebnisse vom Seminar für Supply Chain Management & Management Science

Lisa Scheele

Viele Unternehmen agieren in Märkten mit unsicherer Nachfrage. Meist ist es die Aufgabe von Mitarbeiter*innen in den Bereichen Marketing oder Vertrieb Prognosen über zukünftige Absätze zu erstellen, da diese den Markt am besten kennen. Diese Prognosen werden an die operativen Einheiten im Unternehmen weitergegeben und sind der Ausgangspunkt für eine lange Kette an Planungen – von Lagerbeständen über Produktionsläufe bis hin zu Einkaufsmengen.

In der Praxis lässt sich jedoch vielfach beobachten, dass Nachfrageprognosen systematisch zu hoch sind, das heißt, dass die prognostizierten Mengen die tatsächliche Nachfrage übersteigen. Ein Grund dafür können Anreizsysteme sein, die Vertriebsmitarbeiter*innen dazu motivieren, ihre Absatzmengen zu maximieren. Aus Sicht des Vertriebs lässt sich dieses Ziel am besten erreichen, wenn die Lager gut gefüllt sind. So besteht kein Risiko, dass ein Produkt nicht verfügbar sein könnte. Es ist daher wenig verwunderlich, dass die Nachfrageprognosen künstlich hoch sind.

Pilotprojekt mit einem globalen Pharmaunternehmen

Lisa Scheele und Ulrich Thonemann vom Seminar für Supply Chain Management & Management Science sind der Frage auf den Grund gegangen, ob neue Anreizsysteme für Vertriebsmitarbeiter*innen die Genauigkeit von Nachfrageprognosen verbessern können. Zunächst haben sie in einem Pilotprojekt mit einem globalen Pharmaunternehmen herausgefunden, dass eine Incentivierung der Prognosegenauigkeit bei Vertriebsmitarbeitern ein deutlich höheres Bewusstsein für die Wichtigkeit der Thematik schafft und zu Verbesserungen der Nachfrageprognosen führen kann.

Spieltheoretisches Modell und Laborexperimente
In einem zweiten Schritt haben die Forscher ein spieltheoretisches Modell entworfen, das die Prognoseübermittlung zwischen Vertrieb und Produktion abbildet. Das Modell umfasst nicht nur unterschiedliche Anreizsysteme für den Vertrieb, sondern berücksichtigt auch, dass menschliche Entscheider nicht unbedingt rational agieren. Im vorliegenden Fall bedeutet dies zum Beispiel, dass die meisten Menschen eine natürlich Aversion dagegen haben, die Unwahrheit zu sagen. Es fällt Menschen also grundsätzlich schwer, falsche Prognosen zu kommunizieren. Auch werden Zahlungsströme aus unterschiedlichen Zielen des Anreizsystems nicht notwendigerweise gleichermaßen gewichtet – die Bestrafung einer schlechten Prognosegenauigkeit wiegt schwerer als die Belohnung guter Absatzzahlen. In Laborexperimenten hat das Forscherteam schließlich sein Modell getestet und Anreizsysteme entwickelt, die Prognosefehler bestrafen und so zu ehrlichen und unverzerrten Nachfrageprognosen führen. Dabei funktionieren solche Systeme am besten, die zu hohe Prognosen stärker bestrafen als zu niedrige Prognosen.

Ergebnisse für die Praxis
Die Forschungsergebnisse bilden Leitlinien für den Entwurf von Anreizsystemen in der Praxis: Für eine bessere Prognosequalität sollten Unternehmen Prognosefehler bzw. die Prognosegenauigkeit messen und in das Anreizsystem ihrer Marketing- bzw. Vertriebsmitarbeiter*innen aufnehmen.

Veröffentlichung:
Scheele, L.M., Thonemann, U.W., Slikker, M., Designing Incentive Systems for Truthful Forecast Information Sharing Within a Firm, Management Science, forthcoming.
http://pubsonline.informs.org/doi/abs/10.1287/mnsc.2017.2805?journalCode=mnsc

(Permalink: https://doi.org/10.1287/mnsc.2017.2805)