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Hat die soziale Herkunft einen Einfluss auf die berufliche Karriere von Hochschulabsolventen?

Neue Studie von Marita Jacob und Markus Klein

Prof. Dr. Marita Jacob

Soziale Herkunft und Bildungserfolg sind eng miteinander gekoppelt. Das ist eine mittlerweile allgemein bekannte Erkenntnis. Dass sich unterschiedliche Bildungsabschlüsse auf die berufliche Karriere auswirken, ist naheliegend und in verschiedenen Untersuchungen bestätigt: Mit niedrigen Bildungsabschlüssen ist es weniger wahrscheinlich, einen angesehenen Beruf zu erlangen. Die Bildungsbenachteiligung setzt sich so auch ins Berufsleben fort.

Es ist allerdings eine offene Frage, ob und wie sich die soziale Herkunft nach dem Eintritt ins Berufsleben auf die weitere Karriere auswirkt, zum Beispiel für diejenigen, die trotz schwierigen Bedingungen im Elternhaus einen sehr hohen Bildungsabschluss erreicht haben. Ist der elterliche Hintergrund trotzdem wichtig, um nach einem Universitätsabschluss einen angesehenen Job zu bekommen? Gleichen sich die beruflichen Laufbahnen von Absolventen mit unterschiedlicher sozioökonomischer Herkunft im Laufe der Zeit an, oder verstärken sich die aus unterschiedlichen Startbedingungen resultierende Unterschiede in den Karrieren? Angesichts des zunehmenden Anteils an Hochschulabsolventen in den modernen Gesellschaften sind dies Fragen, die zunehmend an Bedeutung gewinnen. Es lohnt sich mithin, bei der Untersuchung der langfristigen Effekte sozialer Ungleichheiten den gesamten Lebenslauf in den Blick zu nehmen und insbesondere die Laufbahn der Hochqualifizierten zu betrachten.

Eine solche Betrachtung haben Prof. Dr. Marita Jacob vom Kölner Institut für Soziologie und Sozialpsychologie (ISS) (WiSo-key research profile area “Demography & Social Inequality“) und Dr. Markus Klein von der University of Strathclyde unternommen. Um langfristig wirksame soziale Ungleichheiten in der beruflichen Laufbahn von Absolventen zu beleuchten, analysierten sie Daten der 1970 British Cohort Study, die rund 17.000 Menschen aus England, Schottland und Wales umfasst, die in einer einzigen Woche des Jahres 1970 geboren wurden. Auf dieser Basis konnten sie die berufliche Entwicklung von Absolventen über einen Zeitraum von zehn Jahren seit dem Eintritt in den Arbeitsmarkt verfolgen. 

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass es einen Zusammenhang zwischen der elterlichen Klasse und der Berufsposition beim Arbeitsmarkteinstieg gibt, der allerdings gering ist und zudem im Laufe der beruflichen Karriere verschwindet. Unterscheidet man nach verschiedenen Studienfächern zeigt sich, dass vor allem für Absolventen der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften die soziale Herkunft eine Rolle beim Berufseinstieg und für die frühe Karriere spielt, nicht jedoch für Absolventen der Bereiche Geisteswissenschaften, Kunst und MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik). Aber auch die Absolventen der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften aus weniger privilegierten Elternhäusern überwinden den anfänglichen Nachteil und holen ihre ehemaligen Kommilitonen mit höherem sozialen Hintergrund acht Jahre nach dem Abschluss ein.

Zusammenfassend sind Benachteiligungen hinsichtlich des Berufsprestiges von Hochschulabsolventen aufgrund niedriger sozialen Herkunft gering und verschwinden im weiteren Karriereverlauf. Unterschiede innerhalb von Berufen, zum Beispiel hinsichtlich des Einkommens oder dem Erreichen von Elite-Positionen, sind müssen in weiteren Forschungen untersucht werden. Auf Basis der vorliegenden Ergebnisse lässt sich aber zumindest die Frage nach dem Einfluss des sozialen Hintergrunds auf berufliches Sozialprestige mit „Nein“ beantworten.

Die Studie ist im British Journal of Sociology veröffentlicht.
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/1468-4446.12696

Marita Jacob in Find an Expert
https://www.wiso.uni-koeln.de/de/forschung/find-an-expert/experts/prof-dr-marita-jacob/