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Glaube an wissenschaftlichen Fortschritt macht zufriedener als der Glaube an Gott

Artikel von ISS-Forscher Detlef Fetchenhauer u.a.

Foto: Lisa Beller

Religiosität macht zufrieden – das ist in zahlreichen Studien nachgewiesen worden. Der Glaube an eine höhere Macht hilft, auch dann ein Gefühl von Kontrolle zu bewahren, wenn es im Hier und Jetzt chaotisch zugeht. Er verhindert Existenzängste, indem er die Welt ordnet und vorhersagbar macht.

Aber in modernen Gesellschaften glauben immer weniger Menschen an Gott. Wer ernsthaft krank wurde, der betete früher zum Allmächtigen – heute vertrauen zumindest in westlichen Ländern viele Patienten lieber auf die moderne Medizin. Für Sozialwissenschaftler ist es eine spannende Frage, wie sich dieser Wandel auswirkt.

Kann der Glaube an wissenschaftlichen und technischen Fortschritt Menschen ein Gefühl von Kontrolle vermitteln, so wie es die Religion kann, und sie so zufrieden und glücklich machen? Diese Frage haben Olga Stavrova, Daniel Ehlebracht und Detlef Fetchenhauer in einem Artikel untersucht, für den sie Daten aus zwei repräsentativen internationalen Bevölkerungsstichproben analysierten.

Zufriedene Niederländer

Zunächst zeigten die AutorInnen, dass Niederländer tendenziell zufriedener mit ihrem Leben waren, je mehr sie an den Fortschritt von Wissenschaft und Technik glaubten. Ob sie religiös waren, spielte eine deutlich kleinere Rolle. Dieser Zusammenhang ließ sich zum Teil dadurch erklären, dass vom Fortschritt überzeugte Menschen das Gefühl hatten, ihr Leben unter Kontrolle zu haben.

Allerdings sind die Niederlande ein eher säkulares Land – und die AutorInnen vermuteten, dass Fortschrittsglaube Menschen vor allem dann zufrieden macht, wenn sie in Gesellschaften leben, in denen er vergleichsweise verbreitet ist. Denn wir fühlen uns besonders dann gut, wenn andere um uns herum die Welt so wahrnehmen wie wir selbst: Das erleichtert den sozialen Umgang und gibt uns das Gefühl, mit unseren Sichtweisen richtigzuliegen.

Auswertung von Daten aus 72 Ländern

Also testeten die AutorInnen das Ergebnis zudem mit Daten aus 72 Ländern. In 69 von ihnen fanden sie einen deutlichen positiven Zusammenhang zwischen dem Glauben an den Fortschritt und Lebenszufriedenheit, während Religiosität nur in 23 der untersuchten Länder positiv und in zehn Ländern sogar negativ mit Lebenszufriedenheit zusammenhing.

Erneut hatten fortschrittsgläubige Menschen eher das Gefühl, ihr Leben kontrollieren zu können; und tatsächlich waren sie vor allem dann zufriedener mit ihrem Leben, wenn viele ihrer Mitbürger ihren Glauben an den Fortschritt von Wissenschaft und Technik teilten. Es kommt also nicht nur darauf an, was wir glauben – sondern auch, wo wir es glauben. Glücklich machen kann jedenfalls nicht nur der Glaube an Gott.

 

Wussen Sie schon, dass...?
Mehr interessante und oft überraschende Ergebnisse aus der Forschung gibt es auf der Website des Instituts für Soziologie und Sozialpsychologie (ISS).